Bild: Skisprungschanze in Garmisch-Partenkirchen (Oberbayern, Olympische Spiele 1936) durch die Frontscheibe des Autos an einem regnerischen Tag.
Das von der Lederhose aufgerufene Idealbild Bayerns findet seine tatsächliche Entsprechung ganz besonders in Oberbayern und beinhaltet die Alpen samt saftiger Bergwiesen, fesche Buam und fesche Dearndl in Dirndl, Milchkühe, Dörfer mit Zwiebeltürmchen und Geranien vor den Balkonen, Bier und Schweinsbraten, und so weiter. Das von Thomas Mann als „notorisch wundervoll“ bezeichnete Oberbayern bietet nicht nur landschaftliche Schönheit, es wusste über die Jahre auch seine Attraktivität auszuspielen und hat dafür alle von Menschen Hand beeinflussbaren Klischees zur Perfektion gebracht: Neben exzessivem Tourismus wurde zumindest jener Teil Oberbayerns, der zwischen München und der Grenze zu Österreich mit zahlreichen Seen und Tälern aufwartet, zur Wahlheimat zahlreicher, ökonomisch-potenter "Follower" Thomas Manns.
Oberbayern hängt, selbst wenn man München und seinen Landkreis herausrechnet, alle anderen Regierungsbezirke in den Tourismusstatistiken deutlich ab. Das Berchtesgadener Land stellt dabei mit Berchtesgaden selbst, dem Nationalpark Berchtesgaden, dem Königssee und Bad Reichenhall, einen der Hotspots des Fremdenverkehrs dar. Nach dem (durch die Gesundheitsreform bedingten) Einbruch des Bädertourismus sowie dem klimabedingten Rückgang des Wintersporttourismus ist jedoch eine Veränderung des touristischen Angebots zu beobachten. Die landschaftliche Kulisse aber, sieht man von gebauter Landschaft ab, ist die Gleiche geblieben.
Wer mit dem Zug Berchtesgaden erreicht wird schon bevor er den Hauptbahnhof verlassen hat feststellen, dass hier aber etwas anders ist. Nicht nur, dass das Bahnhofsgebäude etwas überdimensioniert zu sein scheint, auch die beiden Wandmalereien in der Ankunftshalle stechen ins Auge: Man benötigt nur wenig architektonisches Hintergrundwissen, um in dem Bahnhofsbau sofort einen Hybriden aus Klassizismus und Heimatschutzstil zu erkennen. Die Tatsache, dass Berchtesgaden der bevorzugte Urlaubsort Adolf Hitlers war, hat sich nicht nur dort tief in die Architektur eingeschrieben. Heute ist dieses schwierige Erbe zu einem weiteren Tourismusfaktor geworden. Es bringt willkommene und weniger willkommene Gäste nach Berchtesgaden...
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